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Medizinische Fakultät

  • Alte Universität

    Alte Universität, 1833.

  • Altes Kantonsspital

    Altes Kantonsspital, Aufnahme von 1847.

Gründung der medizinischen Fakultät

Die medizinische Fakultät hatte einen Vorläufer im 1782  gegründeten medizinisch-chirurgischen Institut in Zürich. Es entstand ursprünglich als private Initiative von Zürcher Ärzten und Chirurgen und wurde ab 1804 als staatliches kantonales Institut geführt. Zwar durfte das Institut keine Doktortitel verleihen, aber es ermöglichte eine vollwertige medizinische Ausbildung. Bei der Gründung der Universität Zürich bildete so ein bereits existierendes Institut den Grundstein der neuen medizinischen Fakultät. Zudem fand die junge Universitas Turicensis im gleichen Gebäude ihre erste Unterkunft, in welchem sich bereits das medizinisch-chirurgische Institut befunden hatte: im Hinteramt beim Zürcher Augustinerkloster. Die ersten Fakultätssitzungen galten denn auch der Organisation der vom medizinisch-chirurgischen Institut übernommenen Lehrsammlung sowie des zukünftigen Unterrichts, dazu kamen Fragen zur Promotionsverordnung und zur Verfügbarkeit von medizinischen Büchern.

Im ersten Semester der Medizinischen Fakultät sucht man vergeblich nach einem Kurs in Physiologie. Das Medizinstudium fokussierte auf die anatomische Pathologie, auf Histologie sowie auf klinische, chirurgische und pharmazeutische Fähigkeiten. Dies hing unter anderem damit zusammen, dass der entsprechende Lehrstuhl ("Professor der Physiologie, allgemeinen Pathologie, Therapie und Staatsarzneikunde") im ersten Semester noch unbesetzt war. Erst im Wintersemester 1833 folgte der erste Kurs in "Physiologie des Menschen mit vergleichenden Andeutungen dieser Lehre bei Thieren und Pflanzen" unter Christoph Friedrich von Pommer.

Die Anfänge der klinischen Medizin in Zürich

Auf der Internetseite des Universitätsspitales heisst es: "Wir nutzen unseren universitäten Wissensvorsprung, um verschiedenste Gesundheitsprobleme zu lösen und setzen dabei auf hohe Spezialisierung und stets aktuelle Forschungsergebnisse." Die Verbindung von universitärer Forschung, klinischer Ausbildung und Behandlung war im frühen 19. Jahrhundert noch keine Selbstverständlichkeit. Gemeinhin gelten die Pariser Spitäler um 1800 als frühe Zentren dieser wegweisenden Idee: Die gleichzeitige Beobachtung, Behandlung und gegebenenfalls Obduktion von unzähligen Patientinnen und Patienten ermöglichte es Dozenten und Studenten, neue Erkenntnisse über Pathologien zu gewinnen und mit der sogenannten pathologischen Anatomie das Grundgerüst der modernen Medizin zu errichten. Dazu gehörte beispielsweise die Entwicklung der Stethoskopie unter René Laënnec am Hôpital Necker in Paris, über weche Laënnec 1819 ein berühmtes Buch publizierte. Ebenfalls im Jahr 1819 begann die Karriere des jungen Mediziners Schönlein, als er provisorisch die Leitung des Juliusspitals in Würzburg übernahm, weil der amtierende Vorstand der medizinischen Klinik schwer an den Augen erkrankt war.

Rudolf Virchow erinnerte sich daran, dass für Schönlein "die Klinik nicht blos eine Art der Vorlesung mit Demonstration verbunden, sondern praktisch eleitung des angehenden Arztes" gewesen sei. Aus diesem Grund hätten alle namhaften Ärzte der Zeit Schönlein als Vater der Krankenhausmedizini angesehen: "Er ist es gewesen, der das reiche Material eines grossen Krankenhauses den Studirenden so zugänglich machte, dass jeder Einzelne durch eigene Beobachtung den Verlauf der Krankheit verfolgen, jeder wirkliche Erfahrungen sammeln konnte." Im Rahmen der Ausbildung kamen auch die neuesten diagnostischen Methoden wie das Stethoskop, die Perkussion, das Mikroskop und physikalische sowie chemische Untersuchungen zum Einsatz. Als Schönlein 1833 an der Medizinischen Fakultät der neugegründeten Universität Zürich Professor und Dekan wurde, galt sein grösstes Interesse daher der Errichtung einer Poliklinik für den klinischen Unterricht. Auf seine Initiative wurde ab 1834 eine universitäre Poliklinik geplant und im Oktober 1835 eröffnet. Die Zürcher Poliklinik war zwar mit zwei Sälen und vierundzwanzig Betten nicht mit den Spitälern in Paris zu vergleichen, aber die tat ihren Zweck. Schönlein setzte sich zudem vehement für die Realisierung eines "Cantonsspitals" ein, welches auch unter ihm begonnen,aber erst 1842 ungefähr am heutigen Standort des Universitätsspitals fertiggestellt wurde.

Der Chirurg Theodor Billroth machte besonderen Gebrauch vom "Cantonsspital". "Das Material ist hier überhaupt sehr befriedigend", schrieb Billroth 1861 an einen Bekannten über Zürich, "[i]ch habe 100 chirurgische Kranke zur Disposition und allein über die Aufnahme zu entscheiden, sodaß ich mir viele langweilige Fälle vom Hals halten kann". Nach fünf Jahren zog Billroth Bilanz über seine Arbeit. Er hatte in der Zwischenzeit das Kantonsspital umgestaltet und Betten für chronisch Kranke zugunsten von akuten Fällen aufgegeben, um interessante Fälle für die klinische Lehre zu gewinnen. Um seine eigene Arbeit zu evaluieren, ging er mit einer Liste seinen ehemaligen Patienten nach, um das Resultat der chirurgischen Eingriffe in Erfahrung zu bringen. "Die meisten Chirurgen tappen hier in fantastischem Dunkel", kommentierte Billroth, aber "ich will wissen, was schließlich aus ihnen wird." Für dieses Projekt kamen 3500 Krankengeschichten zusammen sowie mehrere hundert Briefe an Pfarrämter, in denen Billroth um Auskunft bat. Durch die Publikation dieser Studie wurde Billroth zum "Begründer einer wahren, brauchbaren chirurgischen Statistik", wie ein Kommentator später festhielt. Billroth glaubte an die "unbedingte Wahrhaftigkeit" des statistischen Materials und daran, dass aus statistischen Auswertungen brauchbare Erkenntnisse für chirurgische Eingriffe zu ziehen seien. Neben den zahlreichen handwerklichen Leistungen Billroths, den Publikationstätigkeiten und standespolitischen Aktivitäten ist es diese ungeschönte Qualitätskontrolle in der Chirurgie, welche seine Zeit in Zürich charakterisierte und welche die Grundlage für die Modernisierung der Chirurgie bis in die Gegenwart legte.

Physiologie im Unterricht

Auf der Internetseite des physiologischen Instituts der Universität Zürich steht heute: "For medical students, physiological principles are essential for understanding various pathological conditions." Das war nicht immer so. Im ersten Semester der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich im Sommer 1833 gab es noch keinen Kurs in Physiologie. Erst ab dem zweiten Semester wurden die Studenten in diesem Gebiet unterrichtet, allerdings mit einem aus heutiger Sicht eher philosophischen Ziel: Es ging in der allgemeinen Physiologie um eine regelrechte Philosophie des Lebens, erst nachgeschaltet in der untergeordneten speziellen Physiologie ging es um bestimmte organische Vorgänge. Davon zeugt beispielsweise das beim Zürcher Verlag "Orell, Füssli und Compagnie" herausgegebene "Lehrbuch der Physiologie des Menschen", welches der Professor für Physiologie und Anatomie Friedrich Arnold 1836 publizierte und an der Universität Zürich für die Lehre verwendete: Die Darstellungen in diesem Lehrbuch zeigten der vorherrschenden morphologischen Ausrichtung der Physiologie entsprechend ausschliesslich mikroskopische Abbildungen von Zellstrukturen sowie sechs Schädel zum Vergleich verschiener "Rassen".